Probefahrt neuer NSX
Letzte Woche hatte ich die Möglichkeit, den neuen NSX probezufahren. Da momentan der 350Z angemeldet ist (und beim Delo die Tachowelle streikt), bin ich mit dem zu diesem spontan und ganz locker angesetzten Termin gefahren. Wetter war perfekt - sonnig und nicht zu warm - und schon die etwas mehr als 2 Stunden Fahrt über die Autobahn gestalteten sich kurzweilig. Es gab niemand, dem ich hätte Platz machen müssen
Honda hat nur 2 Fahrzeuge für Probefahrten in Deutschland: einen roten für die Presse und einen weissen für die potentiellen Kunden. Dementsprechend stellt sich die eine oder andere Niederlassung merkwürdig an, wenn man nach einer Probefahrt fragt. Nicht so jedoch diejenige in NRW, wo ich dann war (super nett, völlig relaxt, fokussiert auf den Kunden ohne überflüssige Sprüche, dafür sehr fundiertes Wissen). Sabine hat den Kontakt hergestellt, vielen lieben Dank dafür.
Keyless entry, wie heute im High-End-Bereich üblich. Einsteigen, Sitz einstellen, verbale Einweisung, Bremse treten, Startknopf drücken - auch das heute Standard. Der Motor startet, brummt eine gefühlte halbe Minute und geht dann aus. Hab ich was falsch gemacht? Nein, das System ist scharf, nur eben jetzt im Quiet-Modus. Ich kann also durch vorsichtiges und sanftes Niederdrücken des Gaspedals los - rein elektrisch und ohne Geräusch. Mit dem zentralen Drehknopf auf der Mittelkonsole wählt man die Fahrmodi aus - ich erinnere mich an 4 verschiedene, nennen wir sie mal Normal, Sport, Sport+ und Track. Im ersten - der, in dem ich losgefahren bin - geht es vorsichtig für kurze Zeit rein elektrisch (wenn man das Gaspedal einen Tick zu weit tritt, springt sofort der Verbrenner an, ich übe mal ein bischen das elektrische Fahren) und wenn der Sechszylinder im Rücken anspringt, dann mit schönem, aber leisem Klang. Klappen im Auspuff zu. Nun sind wir ja etwas andere Phonzahlen ab Leerlauf gewöhnt, das hier ist schon absolut sozialverträglich. Wie gesagt, der Klang ist angenehm und schön, kein blecherner Pitch, kein Rasseln, alles gut. Eine Anzeige informiert über den Ladezustand der Batterien für den elektrischen Vortrieb. Der Saft ist schnell aufgebraucht, wird aber bei jedem Bremsen und Beschleunigen wieder aufgeladen. Wenn man sich den Sprit für den Verbrenner wegdenkt, hat man ein Perpetuum Mobile
Gasannahme ist perfekt, Schaltung im Automatikbetrieb schnell und ohne Ruckeln oder Schaltschläge, keine Zugkraftunterbrechung. Doppelkuppler eben. Um es vorweg zu nehmen: ich hatte zu keiner Zeit das Bedürfnis, manuell mit den Schaltwippen zu flippern; der Center Manager mutmasste, ich könnte es eh nicht besser als die Automatik. Ich glaube, er hat recht.
Zwischendurch Ausprobieren der ersten 3 Fahrmodi, die Gasannahme wird noch einen Tick direkter, die Lenkung schärfer, die Dämpfer härter (magnetorheologisch), die Klappen öffnen in Sport+ sofort und bleiben auch offen. Spätestens jetzt ist Schluss mit der Sozialheuchelei. Ist der Taitec bei uns die Fanfare von Jericho, so ist dieser Auspuff die direkte Vorstufe davon. Wir dürfen auf einen zukünftigen "Sportauspuff" gespannt sein.
Nachdem wir den Stadtverkehr mit Bravour gemeistert hatten und die Überlandfahrt sich aufgrund von Geschwindigkeitsbeschränkungen, Überholverboten und vielen "lame ducks"
in den anderen Fahrzeugen ebenfalls als Geduldsprobe herausstellte, die das Ausloten der Kurvengeschwindigkeiten unmöglich machte (auch geschuldet meiner Scheu, ein mir unbekannt reagierendes Fahrzeug mit Verve in die Kurven zu werfen - so es denn möglich gewesen wäre, wir reden über 5000 EUR Selbstbeteiligung), musste es dann also die Autobahn richten. Sport+ anwählen.
Nicht sehr viel Verkehr, auffädeln mit Schmackes und gleich ansatzlos über alle Bahnen nach links ziehen - da gibt mir doch tatsächlich einer Lichthupe, der von hinten kam und dachte, einen Gegner gefunden zu haben. Chancenlos der Hirni. Der musste nicht mal auf die Bremse, er schaffte es gar nicht bis ran.. Heidewitzka, so müssen sich die Steine gefühlt haben, die ich früher mit meiner Gummischleuder abschoss. Es geht nur noch gewaltig vorwärts, Gangwechsel hörst du nur, du merkst sie nicht. Das Getriebe hält die Gänge bis kurz vor den Begrenzer, beim Bremsen schaltet es mit herrlichem Zwischengas selbständig zurück, so dass man immer gleich den richtigen Gang hat und ansatzlos nach vorne stürmen kann. Das Lenkrad liegt ruhig und sauber in der Hand, kein Zucken, der Wagen liegt auch jenseits der 240 km/h (es waren Winterreifen drauf, nur bis 270 km/h zugelassen) satt und vermittelt absolutes Vertrauen. Hätt ich ihn doch nur auf der Landstrasse zackiger in die Kurven geworfen ...
Bei solchen Fahrten wäre jetzt noch ein Headup-Display eine lohnende Investition, denn bei der Beschleunigung bist du erst mal voll nach vorne auf die Strasse konzentriert, wenn etwas Verkehr ist. Ist wohl eine Frage der Gewöhnung. Ist die Bahn freier, kannst Du auch lockerer auf dein zentrales Display mit Drehzahl, Geschwindigkeit etc gucken. Die Bremsen sind gnadenlos, beissen wie ein Jack Russel Terrier. Alle Regeleingriffe hab ich nicht gemerkt, der Wagen tackert dir das Grinsen fest ins Gesicht. Seitenneigung ist mir nicht aufgefallen, das ist für mich aber fast schon wieder normal und wird erwartet.
Ende Autobahn, runterbremsen, Ampelstau. Die ersten Fenster werden runtergekurbelt, man will schliesslich den Sound hören. Da kommt der Schelm in mir durch: Drehregler auf Normal, Motor ist plötzlich aus. Die Fenster der Nachbarn bleiben auf, ist vermutlich eine Start-Stopp-Automatik. Ampel auf grün, vorsichtig elektrisch anrollen bis zur nächsten Rotphase, die Nachbarn gucken ganz irritiert, Was denn nun?
Ok, ich will es ja auch geniessen, also für den Rest der Fahrt zurück zur Niederlassung bleiben die Klappen offen. Bin ja nicht so.
Dann serviert mir der Center Manager das besondere Highlight: ein kurzes, ca 100-150 m langes gerades Strassenverbindungsstück neben den Gebäuden zur nächsten Kreuzung. Anhalten am Anfang, Wagen gerade stellen (wichtig!), Drehregler mind. 5 Sekunden nach rechts, der Fahrtmodus springt auf Track, DSC und alle anderen Fallschirme werden deaktiviert. Linken Fuss auf die Bremse, rechten GAAANZ schwer auf´s Gaspedal - der Motor regelt irgendwo zwischen 2000 und 4000 U/min ein. Bremse los (Lenkrad gut festhalten) und es feuert dich ansatzlos nach vorne. Mir fällte keine treffendere Wortwahl ein. Kein spürbarer Schlupf, kein Reifenwinseln, deine Frisur wird unauslöschlich in die Kopfstütze geprägt. Wagen stand nicht hundert Prozent gerade, die Vorderachse bittet in Sekundenbruchteilen um Lenkkorrektur, weil die Hinterachse vorbei will, in den nächsten Sekundenbruchteilen schon wieder bremsen, weil die Kreuzung herangezoomt ist und dort grad einer gemütlich querfährt. Die Bremse fängt die Fuhre gnadenlos und unerbittlich ein - Mist, man hätte sich ja noch ein paar Meter Zeit lassen können mit dem Bremsen. Das Hirn hat kurzfristig eine 120-und-etwas auf der Anzeige registriert, ist sich aber nicht sicher. Der helle Wahnsinn, der Puls rast, Adrenalin flutet den Körper, das Hirn schreit nach mehr. Der Mund formuliert die Worte: das müssen wir nochmal machen. Der Center Manager grinst, gerne doch, kein Problem.
Zweiter Anlauf. Wagen penibel gerade stellen, ein Dreher wäre doch grad zu peinlich. Alles noch mal viel kontrollierter. Das Ergebnis ist wieder genauso überirdisch, wieder verschenke ich ob der schieren Gewalt (Beschleunigung und Bremsen!) wertvolle Spassmeter. Ich unterschreibe sofort, dass der neue NSX mit dieser Launch Control keine 3 Sekunden bis 100 km/h braucht. Teste ich heute vielleicht noch mal, dann gibt´s ein Update.
Abstellen mit rückwärts einparken. Dank Parkpiepser und Rückfahrkamera kein Problem. Der Rückwärtsgang geht ebenfalls auf Knöpfchen bzw. Kipphebelchen. Startknopf nochmal drücken - Motor ist aus. Die Ergonomie ist wunderbar stimmig (für meine Grösse mit 185 cm), die Einstellmöglichkeiten wie erwartet vielfältig. Die Rundumsicht ist gut, knüpft allerdings nicht an den Vorgänger an. Wurscht, dafür kann man ja die Kamera ordern. Sollte man auch, man hat immer Zuschauer beim Einsteigen und Aussteigen. Spart Spott und Häme. Der Kofferraum hat in etwa die Abmessungen des Vorgängers, durch eine Stufe in der Mitte allerdings nicht die Höhe. Im Bugteil ist im Vergleich zum Vorgänger kein Platz mehr, das Notrad wurde in ein modernes Reparaturset transformiert.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: der Grundpreis liegt bei 160.504,20 EUR netto. Mit notwendig-nützlichen Goodies konfiguriert und alles unnötige Nice-to-have weggelassen (ok, die Motorabdeckung in CF und die Fussmatten sowie die Schlafhaube für die Garage MÜSSEN einfach sein), kommt man mit den Auslieferungskosten auf netto 182.100,00 EUR. Plus Märchensteuer sind das dann schlappe 216.699,00 Euro (und da ist noch Luft nach oben). Wohl bekomm´s !
Fazit: Die Entscheidung, welcher mein Favorit ist, wird immer schwerer. Bislang war es der McLaren MP4-12C. Ein direkter Vergleich wird wohl schwierig. Aber das "Wir-verschleudern-die-Hälfte-der-Rente" - Gen wird durch solche Gelegenheiten aktiviert...